< Degrowth.at

Nullwachstum ist gut, wenn man weiß was man tut – Kritik an einem Kleine Zeitung-Kommentar

25.10.2023
Lesezeit: 4 Minuten


Kleine Zeitung Tribüne - Nullwachstum und niemand jubelt
Kleine Zeitung, 24.10.2023, S. 6

Der ehemalige Chefredakteur der Kleinen Zeitung übt in seinem Unwissen zum Thema Degrowth unberechtigte Kritik an Klimaforscher:innen und Klimaaktivist:innen.

Im ersten Teil des Kommentars geht es um die aktuelle Rezession. Das Bekenntnis zum Wachstums-Optimismus vom Frühjahr habe nicht ausgereicht und Finanzminister Magnus Brunner habe deshalb viel Kritik einstecken müssen. So weit, so objektiv.

Dann stellt Zankel aber fest, dass niemand aus dem Camp der „Klimakleber und Klimaforscher“ über das Nullwachstum jubeln wollte und das, obwohl diese gefordert hatten, Abschied vom Wirtschaftswachstum zu nehmen. Der Grund dafür ist recht simpel: Ein schrumpfen der Wirtschaft in einem Wirtschaftssystem, das Wachstum als Grundlage hat, kann natürlich nicht ohne negative Konsequenzen erfolgen. Degrowth-Befürworter:innen sind sich dessen bewusst und deshalb gibt es keinen Jubel. Wir fühlen uns vielleicht bestätigt in unserer Analyse, aber Grund zum Feiern ist das keiner. Natürlich ist es einfach, das Problem beim aktuellen Finanzminister zu suchen. Das Problem ist aber strukturell und Krisen sind zu erwarten wie das Amen im Gebet.

Dass ein Nullwachstum einen Verzicht an Konsum und Komfort zur Folge hätte, würde nicht dazugesagt werden. Das ist schlicht falsch. Den Konsum zu reduzieren und mit dem ständigen Wirtschaftswachstum aufzuhören, sind Forderungen, die man ständig miteinander hört. Abgesehen davon, dass ein Konsumverzicht auch zu einem Komfortgewinn führen kann, ist es im Angesicht der Klimakrise lächerlich, sich über einen Komfortverlust zu echauffieren. Das wovor uns die Klimawissenschaften seit Jahrzehnten warnen, ist nicht vergleichbar mit einem Komfortverzicht sondern weitaus schlimmer.

Es wirkt wissenschaftsfeindlich von Herrn Zankel, anzuerkennen, dass sich Klimaforscher:innen gegen mehr Wirtschaftswachstum aussprechen, er dann aber argumentiert, man müsse trotzdem weiterwachsen. Das Wirtschaftssystem wurde von Menschen erdacht. Unser globales Ökosystem ist eine biophysikalische Realität, der sich das menschliche Wirtschaftssystem unterzuordnen hat. Wer das nicht anerkennt, ist mit seiner Argumentation auf verlorenem Posten.

Überschreiten wir die planetaren Grenzen weiterhin und passt sich unser Wirtschaftssystem nicht an, dann wird es zwangsweise zu einem andauernden Schrumpfen kommen. Nicht nur der Wirtschaft, sondern auch vieler anderer Kennzahlen, mit denen wir unseren Wohlstand messen. Zankel predigt Wachstum stur beizubehalten und das bedeutet über kurz oder lang Chaos und noch mehr Leid. Degrowth wäre der Ansatz, kontrolliert und wissenschaftlich vorzugehen. Mit einem intakten Wohlfahrtsstaat und ohne schwere Rucksäcke. Klingt fair und vernünftig, oder?


Der Originaltext: Nullwachstum, und niemand jubelt

Wir können zwar den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel richtig setzen“, versprach Finanzminister Magnus Brunner bei der Vorlage des Budgets für 2024. Damit steuere man optimistisch in die Zukunft. Denn Optimismus sei jetzt das Gebot der Stunde, getreu der vom Bundeskanzler verordneten Parole: „Glaub an Österreich!“
Der Wind ist in den letzten Monaten viel rauer geworden. Die noch zuversichtlichen Prognosen vom Frühjahr mussten zuruckgenommen werden. Die Wirtschaft ist in Österreich wie in Deutschland in eine Rezession abgestürzt. Auf dem Bau herrscht Flaute, die Industrie klagt über Auftragslücken. Es steigen nur noch die Kosten, während die Produktion schrumpft.
Der Finanzminister versucht gegenzusteuern, indem er zu den alten Rezepten greift, die Ausgaben aufbläht und den Schuldenberg erhöht. Der Segler hat das Ziel der sanierten Staatsfinanzen über Bord geworfen und wird den Hafen des geringen Budgetdefizits wohl nie erreichen.
Nach seiner Budgetrede musste sich der Finanzminister viel Kritik von allen Seiten anhören. Auffallend war, dass niemand über das Nullwachstum jubeln wollte. Es ist nicht lange her, da hörten wir aus dem Chor der Klimakleber und Klimaforscher den Ruf, wir müssten endlich Abschied vom Wirtschaftswachstum nehmen, weil dieses ständige Mehr das Überleben der Menschheit gefährde. „Degrowth“ war das wissenschaftliche Zauberwort der Kapitalismuskritiker.
Was ein Nullwachstum für die Bevölkerung an Verzicht an Konsum und Komfort zur Folge hätte, wurde allerdings nicht dazugesagt. Wie meist bei moralischen Appellen belässt man es bei guten Vorsätzen. Und vertraut darauf, dass es ohnehin so weitergehen wird wie bisher. Das könnte sich aber als trügerische Sicherheit erweisen. Ohne weiteres Wirtschaftswachstum wird der Wohlfahrtsstaat wie ein Kartenhaus einstürzen. Und der nächsten Generation einen immer schwereren Rucksack an Schulden aufzubürden, wäre nicht nur unfair, sondern auch unvernünftig.

Erwin Zankel war Chefredakteur der Kleinen Zeitung

Newsletter

Abonniere den Newsletter, um über neue Artikel informiert zu werden:

Kommentare

Verfasse hier deinen wertvollen Beitrag zu diesem Artikel.