Wie glaubwürdig ist die Kleine Zeitung in der Berichterstattung über Klimapolitik?
30.10.2023
Lesezeit: 3 Minuten

Kleine Zeitung, 29.10.2023, S. 45
Ein Leser hinterfragt die Glaubwürdigkeit der Klimapolitik-Berichterstattung in der Kleinen Zeitung. Die Antwort des Chefredakteurs ist ernüchternd.
Der Leser führt einige Beispiele an, die verdeutlichen, wie inkonsequent die Kleine Zeitung über das Thema Klimaschutz berichtet. Chefredakteur Wolfgang Fercher antwortet, vieles was Menschen Freude bereite, wäre, moralisch rigoros ausgelegt, nicht mehr vertretbar: Autofahren, Flugreisen, Fleisch essen, Mode kaufen etc. Hier ist einzuwenden, man muss gewissen „Freuden“ nicht unnötig eine Bühne bieten und schon gar nicht, wenn man unkritisch darüber berichtet. Aber es gibt nun einmal eine zum großen Teil konservative Zielgruppe und am Ende wird das gedruckt, was die Leserschaft und Inserenten bei der Stange hält. Keine moralische Grundhaltung, nur gutbürgerlicher Liberalismus, der dazu dient, gewissenhaftes Berichterstatten in ein schlechtes Licht zu rücken: man wolle ja keine „Verbotskultur“.
Wie ein Liebesbrief an einen Geländewagen zu rechtfertigen sei mit Klimaschutz, möchte der Leser beispielsweise wissen. Das getestete Auto sei „Made in Graz“, antwortet der Chefredakteur und hofft anscheinend Sympathien zu wecken, mit seinem Wink zum Lokalpatriotismus.
Der letzte Satz untermauert, dass von effektivem Klimaschutz nichts verstanden wird. Man werde sich weiter im „Klima-Spagat“ üben und darauf hinweisen, wie jede und jeder Einzelne im Alltag klimaschonender agieren könne. Viel wichtiger wäre, wenn sich reichweitenstarke Zeitungen ernsthaft mit dem Thema beschäftigen und vollumfänglich ohne Heuchelei darüber berichten würden. Dem einzelnen Konsument, der einzelnen Konsumentin die Verantwortung zu übertragen, ist eine Propaganda-Praxis, der sich Ölkonzerne und die Industrie allgemein gerne bemühen. Anscheinend auch „Qualitätsmedien“.
Der Originaltext
Wie glaubwürdig ist die Kleine Zeitung in der Berichterstattung über Klimapolitik?
Der Blick in die Kleine vergällt mir mein Frühstück. Auf den Seiten 2/3 erklärt mir Günter Pilch, dass die Welt am gesetzten Klimaziel krachend scheitert. Auf den Seiten 46/47 schreibt Bernd Melichar unter „Mobilität“ eine romantische Ode an ein Geländeungetüm mit 286 PS, das ein „cooler“ vielseitiger Typ“ sei. Die Vollgasexperten der Sportredaktion treten jeden Formel-1-Grand-Prix seitenweise breit. Ist die Kleine in Sachen Klimapolitik im Stile von Kickl'schem Populismus „klimaneutral“ oder ist das als Orwell'sches Doppeldenk zu verstehen? Wie (un)glaub-würdig wird dadurch die Kleine wohl?
Sehr geehrter Herr _____!
Ich fürchte, die von Ihnen aufgezeigte Ambivalenz ist längst zu unserer täglichen Begleiterin geworden. Moralisch rigoros ausgelegt wäre vieles, was Menschen Freude bereitet, nicht mehr vertretbar: Autos fahren, Flugreisen, Fleisch essen, Mode kaufen etc. All das schadet dem Klima. Einer Verbotskultur, auch was die Berichterstattung betrifft, wollen wir trotzdem nicht das Wort reden. Ja, wir berichten nach wie vor über die Formel 1, weil sie viele Menschen trotz aller Unkenrufe fasziniert (was mich persönlich verwundert). Wir hinterfragen bisweilen aber auch, was der Formel-1-Zirkus tut, um klimafreundlicher zu werden. Das getestete Auto ist teilweise „Made in Graz“, vielleicht deshalb die Freude des Autors. Wir werden uns auch künftig im Klima-Spagat üben - und dabei immer wieder darauf hinweisen, wie jede und jeder Einzelne im Alltag klimaschonender agieren kann.
Herzlich
Wolfgang Fercher
Chefredakteur in Kärnten